Mailand 2022 in a nutshell

Mutlosigkeit, Euphorie und die weibliche Perspektive

Die GOOS COMMUNICATION-Reisewochen sind noch nicht vorbei – und nach langer Zeit ging es endlich wieder über die Alpen nach Mailand, wo Anfang Juni der 23. Salone del Mobile die Tore öffnete. Mit unserem Kunden GRASS waren wir vor Ort.
Die Mission: Trendspotting.

Mailand ist zweifelsohne einer der besten Orte, um die neuesten Entwicklungen im Interiordesign zu erleben. Hier werden Möbel inszeniert und gefeiert. In diesem Jahr hatte der Höhepunkt wenig mit Möbeln zu tun: Man konnte sich endlich wieder persönlich treffen! Hinsichtlich der eigentlichen Stars, des Interiors, gingen die Meinungen auseinander. Einerseits gab es viel gelungene Inszenierung und viel Verfeinerung in der Vielfalt, andererseits wurden die großen Sprünge vermisst. Designer Konstantin Grcic brachte seine Frustration im Interview mit Stylepark zum Ausdruck: In „Die Stagnation und Mutlosigkeit im Möbeljahr 2022“ vergleicht er die Möbelindustrie mit einem Tanker, der sich sehr langsam bewegt, und Herausforderungen wie die Lieferkettenprobleme oder den Krieg in der Ukraine auf der Messe nicht thematisierte. Trotz dieser korrekten Beobachtung gab es viel zu sehen – neben teils eben doch sehr gelungenem Design, eben auch glückliche Menschen: Ob auf dem Messegelände oder auf der Design Week, die sich an verschiedenen Orten in der Stadt abspielte, oder Abends im Restaurant erlebte man, wie sehr sich alle darüber freuten, wieder vor Ort und in Kontakt miteinander sein zu können.

Die Milano Design Week war natürlich auch Thema im GOOSsip, wo es zum Beispiel darum ging, ob es eine weibliche Komponente im Design gibt. Das Kollektiv Matter of Course, das sich im District 5Vie zum ersten Mal einem internationalen Publikum präsentierte, besteht aus elf Berliner Designerinnen und beantwortet die Frage so: „... Bei uns im Kollektiv ist das Haptische sehr wichtig. Außerdem: die Atmosphäre, die Bedeutung, wie und wo produziert wird. Und die Farben.“ Eine ähnliche Diskussion wird auch in der Literatur geführt – und auch dort gibt es sehr unterschiedliche Meinungen darüber, ob es spezifisch weibliche oder männliche oder non-binäre Kunst gibt (zumindest, wenn sie nicht explizit genau dieses Thema behandelt). Fest steht aber eins: Die weibliche Perspektive ist nicht nur im Design immer noch unterrepräsentiert. „Wenn man an deutsches Design denkt, fallen einem oft Namen wie Dieter Rams, Konstantin Grcic oder Stefan Diez ein, aber nicht unbedingt weibliche Designer“, sagt Joa Herrenknecht von Matter of Course. Die Installation ihres Kollektivs soll ein Anfang sein, das zu ändern – zumal es auch um Gleichberechtigung im Design geht, wo die Perspektive eben doch unterschiedlich ist: „Wie ich auf Funktionen schaue, ob ich etwas als schwer, leicht, sehr groß oder klein empfinde, hat auch mit meinem Geschlecht zu tun. Das gilt besonders fürs Industriedesign.“

Apropos weibliche Perspektive, der Salone del Mobile, der mit 262.000 Besucher:innen einen sehr erfolgreichen Re-Start hinlegte, wurde zur 60. Ausgabe erstmals von einer Frau geleitet. Maria Porro ist dabei nicht nur die erste weibliche Messepräsidentin, sie stellt auch mit 38 Jahren die jüngste Leitung, die die Messe jemals hatte. Und noch etwas ist anders: Sie bringt einen Hintergrund im Bühnenbild mit. Die Inszenierung, der schöne Schein, das Ins-recht-Licht-rücken ist also eine ihrer Spezialitäten. Im Interview mit der New York Times beschreibt sie ihren Blick auf die weibliche Perspektive im Business: Vielleicht sei es in der Vergangenheit bei solchen Aufgaben um Macht gegangen. Sie jedoch denke, es sei an der Zeit, um offener zu sein, mehr zuzuhören und die Qualität der wundervollen Arbeit des Messeteams zu unterstreichen.

Und wundervoll war es in der Tat: von dem Maximalismus-Kitsch aus dem Dolce & Gabbana Showroom über die elegant-minimalistische Formvollendung der Küchen von Valcucine bis hin zu der märchenhaften Welt, die Fenix für seine neue Tapeten-Kollektion X-Kin aufgebaut hatte, war Milano wieder ein Fest für die Sinne – und machte auch Lust darauf zu sehen, wie die Messen in der anderen Domstadt aussehen werden. Denn in Köln wird schon mit Elan an den nächsten Ausgaben von imm cologne, LivingKitchen und interzum gearbeitet. Alle drei Formate gehen 2023 wieder an den Start und am Trio wird weiter gefeilt. Den Anfang macht im Januar die imm Cologne und LivingKitchen. Auf der imm soll im Sinne eines „Business Enabling“ ein Rahmen geschaffen werden, der über die klassische Produktpräsentation der Aussteller hinausgeht, umso neues nachhaltiges Business aufbauen zu können.
Lieferengpässe, Logistik, Energie sowie ein verändertes Kaufverhalten durch Inflation und Wertewandel, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit – wie die Branche sich auf die aktuellen Herausforderungen einstellen kann, wird eines der Themen sein, mit dem sich die Messe beschäftigt.

Im Mai folgt dann die Weltleitmesse interzum und dort wird man erleben, wie die Möbelzulieferer- und Interior Design-Industrie mit modernen Materialien, herausragenden Designs und exklusiven Innovationen Trends entwickelt und hilft die Lebensräume von morgen. Die Formel ist nämlich ganz einfach: ohne Zulieferer keine Möbel, ohne interzum keine imm, bzw. ohne Sicam kein Salone. Und die Koelnmesse will mit ihrem neuen Claim „shaping the change“ ihre Funktion als Taktgeber für die Branche weiter ausbauen. Wir sind gespannt.

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