Vom Abfall zur Sitzschale
Der Mensch ist erfinderisch. Das – plus noch ein paar andere USPs – hat ihn in der Evolutionshitparade der letzten 300.000 Jahre ziemlich weit nach vorne gebracht. Und gerade dieser Erfolg hat sich zum Problem entwickelt. Erfindungsreich sind wir nämlich im Guten wie im Bösen – wie der Blogbeitrag dieser Woche zeigt.
Kennen Sie Sugru? Nein? Wir bis vor 5 Minuten auch nicht. Sugru ist eines der Produkte, die vom europäischen Patentamt mit dem Europäischen Erfinderpreis 2018 ausgezeichnet wurden. 8000 Stunden haben die irische Produktdesignerin Jane ní Dhulchaointigh und ihr Team benötigt, um Sugru markt- und patentreif zu bekommen. Jane ní Dhulchaointigh stellte irgendwann fest, dass sie als Designerin eher Teil des Abfallproblems als Lösung desselben war. Eine bestimmte Mischung aus Silikon und Holzstaub, die nicht nur elastisch war, sondern auch hervorragend klebte, war die Lösung. Jane ní Dhulchaointigh begann mit der Entwicklung von Sugru, einem formbaren Multifunktionsklebstoff, der die Stärke eines Hochleistungsklebers mit der Biegsamkeit von Gummi verbindet. „Indem sie es möglich gemacht hat, Dinge, die uns gehören, leichter zu reparieren und zu verbessern, hilft uns Jane ní Dhulchaointigh auch dabei, mit unseren Gebrauchsgegenständen nachhaltiger umzugehen und in der Konsequenz Abfall zu reduzieren", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Preisverleihung.
Bei Jane ní Dhulchaointigh kam exemplarisch zusammen, was der Mensch für seinen Erfindungsreichtum benötigt: Problem, Erkennung desselben, Intelligenz, Fachkenntnis, Umsetzungsstärke plus eine Prise Glück. Mit dieser Mixtur hat es der Mensch weit gebracht: Durch die Luft fliegen Flugzeuge, im Sushi ist Krebsersatzfleisch, es gibt Internet und Haarverlängerung. Das sollen uns die vielgelobten Bienen oder Delfine erstmal nachmachen. Im letzten Jahr wurden allein beim europäischen Patentamt 166.000 Patente beantragt – so viele wie nie zuvor. So weit, so gut. Leider sind nicht alle Erfindungen so segensreich wie Sugru. Bei VW (und nicht nur dort) hat man etwa eine Software entwickelt, um Abgaswerte zu manipulieren. Ein altbekannter Skandal, der seit 2015 der Autoindustrie zu schaffen macht, und der immer noch Stoff für Zeitungsmeldungen gibt: Im ersten Link der Woche zitiert das Manager Magazin den VW-Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, der nach dem Dieselskandal zu VW an seinen Job kam. Die Kreativität, die der Autokonzern dabei an den Tag legte, ließ er laut Diess an anderer Stelle vermissen: Die deutsche Autoindustrie hinke den technologischen Herausforderungen hinterher. VW habe „den größten Nachholbedarf, auch weil bei uns vieles verkrustet ist", so Diess. Er wolle VW zu einem Tech-Unternehmen machen – und damit soviel wert sein wie Apple, Google oder Amazon. Hehre Ziele. Wir wünschen viel Glück dabei.
Von Recycling zu absurden Steuererfindungen
Während sich VW mit den Folgen einer eher blöden Erfindung herumschlagen muss, hat der US-amerikanische Hersteller Lingrove einen Werkstoff entwickelt, der ganz im Sinne von Jane ní Dhulchaointigh sein dürfte: „Ekoa TP“ sieht aus wie Holz, lässt sich aber wie Kunststoff verarbeiten und wird aus Flachs-Abfällen gewonnen. Der Werkstoff wird für Möbelteile wie Sitzschalen, für Musikinstrumente und Sportgeräte verwendet und soll sich sogar im Bausektor einsetzen lassen. Ökologisch, praktisch, gut. Damit fällt Ekoa TP in die Kategorie „Erfindungen, die die Menschheit benötigt, um die Folgen nicht so guter Erfindungen zu mildern.“ Das kann man von einer Idee Yoveri Museveni nicht unbedingt behaupten. Wie die FAZ meldete, hat der ugandische Präsident eine Social-Media-Steuer erfunden. Seine Untertanen (Museveni regiert seit 30 Jahren autoritär, wenn auch moderater als seine Vorgänger) sollen künftig 0,05 Cent am Tag zahlen, wenn sie über ihr Handy Facebook, WhatsApp, Twitter, Instagram oder Skype nutzen wollen. Hört sich nicht viel an, doch Uganda gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Außerdem, so schreibt die FAZ, würden Kritiker in der Steuer einen Versuch sehen, das Leben Oppositioneller zu erschweren. Wenn man verfolgt, wie ängstlich die Autokraten und Diktatoren dieser Welt auf Social-Media-Tools reagieren, muss man doch mal eine Lanze für Facebook und Co. brechen: Bei allen kritikwürdigen Punkten bieten sie die Möglichkeit eines freien Austausches und einer weitgehend unzensierten Meinungsäußerung. Ob sich das mit einer Steuer aushebeln lässt, darf bezweifelt werden.
Bevor wir uns wieder unseren eigenen Erfindungen zuwenden, haben wir noch eine: Wie man künstliche Intelligenz einsetzen kann, um den Kunden am POS komfortabler bedienen zu können, macht das chinesische Handelsriese Alibaba gerade vor. Für Locationinsider.de ist das ein weiterer Beweis dafür, dass „Innovationen im Handel derzeit in China stattfinden“. Da sollten wir dranbleiben. Krempeln wir die Ärmel hoch, trinken noch ein Glas grünen Tees (gut für das Gehirn) – und ran an die Erfindungen!
Wir wünschen Ihnen eine patentreiche Woche!
Ihr Team von GOOS COMMUNICATION